Themengottesdienst "Was uns die Erde gibt"
Sonntag, 9. September 2012, 10H00
Auferstehungskirche Offenburg
Pfarrer Schmid-Hornisch und Dr. Stefan Walther
anschliessend Kaffee im Gemeindezentrum
Predigttext :
Dirk Schmid-Hornisch:
Liebe Gemeinde,
letzte Woche im politischen Fernsehmagazin „Monitor“: Ein Bericht über die zunehmende Gefahr des Hungers für Millionen Menschen etwa in Kenia und anderen Ländern Afrikas. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die Lebensmittelpreise steigen – in Höhen, die für die Bevölkerung nicht mehr zu bezahlen sind. Und das nicht, weil es zu wenig Lebensmittel auf der Erde gäbe, sondern weil Lebensmittel zu immer höheren Preisen an den Börsen gehandelt werden: Mais wie Erdöl und Weizen wie Firmen-Aktien. Das ist ein Problem! Ein großes sogar. Und es zeigt, wie eng wir auf der einen Welt heute miteinander verflochten sind. Denn die Börsen für Lebensmittel liegen mitten in den reichen Industrienationen und am Hunger der Menschen in Afrika verdienen auch europäische und amerikanische Investoren.
Das hat mich schockiert. Und es hat mir deutlich gemacht wie wichtig es ist, dass wir uns als Christinnen und Christen ganz bewusst auch einmal in einem Themengottesdienst wie heute mit dem, was die Erde gibt und wie es verteilt wird, auseinander setzen. Ich bin froh und dankbar, dass Dr. Stefan Walther uns an seinem Wissen und seinem Engagement teilhaben lässt. Denn Dir, lieber Stefan, geht es um etwas, was auch der Bibel sehr wichtig ist: Um Gerechtigkeit und faire Lebensmöglichkeiten für alle Menschen auf der Erde.
Bevor wir beide in einen Dialog eintreten über das Thema „Global denken – lokal handeln“ lassen Sie uns hören, was der Prophet Jesaja dazu zu sagen hat. Ich lese aus dem Buch des Propheten, dem 58. Kapitel, Verse 7-12: „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und der Herr wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne.“
Liebe Gemeinde,
der Auftrag des Propheten Jesaja ist klar: Niemand auf Gottes Erde soll Hunger leiden. Jede und jeder, die oder der eine oder einen andern hungern sieht, soll als glaubender Mensch deren und dessen Not und Unterernährung erkennen und sein Brot teilen. So haben wir auch gerade eben gesungen: „Brich mit dem Hungrigen dein Brot“. Niemand auf der Welt soll nach dem biblischen Zeugnis umkommen, weil Essen und Trinken, Kleidung und Obdach fehlen. Und diese Zuwendung zu den Schwachen, das Abgeben und Teilen, das soll nach dem Propheten Jesaja Fasten sein. Ja, so sagt es der Prophet: Fasten in seiner Bedeutung von sich verankern, vorbereiten, den Blick auf die geschenkte Fülle allen Lebens richten, das ist das Fasten, wie es Gott gefällt. Der Prophet will in Gottes Namen der Gesellschaft etwas geben, was sie braucht, um nicht auseinander zu fallen. Damit Unrecht vermieden wird und niemand zu kurz kommt. Wie anders ist diese Perspektive als die jener Börsenspekulanten, die die Nahrungsmittel durch ihren Handel so in die Höhe treiben, dass die Menschen in den armen Ländern der Erde sich ihr täglich Brot nicht mehr leisten können! Das richtige, gottgewollte Leben sieht und liebt den Mitmenschen, das Mitgeschöpf wie sich selbst. Und dann – das ist die Verheißung in unserem Predigttext – dann wird nicht nur das Leben und Aufblühen der Menschen in den armen Ländern ermöglicht, sondern auch das unsere!
Denn aus Gottes Sicht sind alle Geschöpfe seine Kinder, gleichen Standes und mit gleichen Menschenrechten ausgestattet. Unser Glaube ermutigt uns, global zu denken – und lokal zu handeln, weil Gott uns die Erde und alles, was darauf wächst und gedeiht, gibt. Und niemand anderes!
Aber jetzt sag mal, lieber Stefan, was hast du uns denn da alles mitgebracht – und was hat das mit dem Thema dieses Gottesdienstes zu tun? Das sieht ja schön und appetitlich aus, was hier in der Auferstehungskirche zu sehen - und zu riechen - ist.
Stefan Walther: Zur Erntedankzeit denken und danken wir, dass uns die Erde anvertraut ist um Landwirtschaft zu treiben um uns so ernähren zu können. Heute möchte ich diese Idee aufnehmen und gemeinsam überlegen, was wir eigentlich mit dem Weizen, Mais und Reis machen, nachdem geerntet wurde.
Ich habe deshalb auf jedem Tisch die Menge an Weizen, Mais und Reis gelegt die wir von 1m2 Acker ernten können: nämlich 600g Weizen oder Reis, oder 900g Mais. Da wir das Getreide erst weiterverarbeiten und zubereiten müssen, aber ich aus jeweils 600g Weizenmehl ein Brot und einen Gugelhupf gebacken. Der Laib Brot oder der Gugelhupf oder die Schale gekochter Reis entspricht also der Ernte von jeweils 1m2 Land.
Im Anschluss an diesen Gottesdienst möchten wir Sie ganz herzlich zum Gemeinde-Kaffee ins Gemeindezentrum einladen und gemeinsam dieses Brot und den Gugelhupf essen.
Dirk Schmid-Hornisch: Aber da liegt ja auch Fleisch und auch noch eine Flasche mit klarer Flüssigkeit, das wird doch wohl kein Obstler sein? Was hat das mit Weizen und Mais zu tun?
Stefan Walther: Genau jetzt wird es spannend. Der Weizen wird nicht nur zum Brot und Kuchenbacken genutzt, sondern weltweit wird 1/3 der Weizenernte zur Tierzucht, d.h. zur Fleischproduktion verwendet. In Deutschland wird sogar mehr als die Hälfte des Ackerlandes zur Fleischproduktion verwendet. Genauso wird Mais und Soja zur Fleischzucht verfüttert. Und bei der Umwandlung von pflanzlichen in tierische Lebensmittel geht mindestens 2/3 der geernteten Kalorien verloren. Bei Rindfleisch gehen sogar 90% der pflanzlichen Energie oder Kalorien verloren.
Dirk Schmid-Hornisch: Aber dann wandert sozusagen das Getreide vom Teller in die Tröge?
Stefan Walther: Genau. Dadurch wird das Getreide immer teurer und immer mehr Menschen in den armen Ländern können sich immer weniger Getreide leisten. Aber Getreide wird nicht nur in der Fleischproduktion verwendet, sondern auch immer mehr zur Energiegewinnung als Biosprit oder zum Verheizen in Blockheizkraftwerken benutzt. So kann man mit dem Mais oder Weizen eines Brotes ca. 4km weit Autofahren oder zu Hause zwei Maschinen Wäsche waschen.
Dirk Schmid-Hornisch: Dann wird das Getreide vom Teller genommen und nicht nur in Tröge sondern auch in den Tank unserer Autos gefüllt.
Stefan Walther: Ja, und das ganze nennt man dann Biosprit. Deshalb gab es auch so viel Ablehnung bei der Einführung vom E10 Benzin. Aber um noch einmal auf den globalen Zusammenhang zurückzukommen. Das Getreide für die Fleischzucht und für den Biosprit wird natürlich nur in den reichen Länder verbraucht, oft auf Kosten der Ernährung der Armen, die höhere Preise für Weizen oder Reis nicht mehr bezahlen können und in den Hunger getrieben werden. Wir, die hier sitzen, tragen also sehr wohl Verantwortung durch unser Handeln und unseren Konsum die globale Ernährungssituation positiv oder negativ zu beeinflussen.
Dirk Schmid-Hornisch: Was könnte also jeder morgen und in der kommenden Woche recht einfach bei sich zu Hause tun ?
Stefan Walther: Man könnte weniger Fleisch- und Milchprodukte, also tierische Lebensmittel essen. Die UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung hat vorgeschlagen : wenn wir in den reichen Länder unseren Fleischkonsum halbieren würden, könnte die freiwerdende Getreidemenge reichen, die heute hungernden 1 Milliarde Menschen ausreichend zu ernähren.
Dirk Schmid-Hornisch: Nächstes Wochenende und im Oktober sind doch noch andere Aktionen zum Thema Hunger und Landwirtschaft geplant. Was genau ist denn geplant und kann man noch teilnehmen oder sich informieren.
Stefan Walther: Ja natürlich. Nächsten Samstag, am 15.9. findet weltweit eine solidarische Mittagstafel statt. Hier in Offenburg werden wir auf dem Lindenplatz von 11 bis 16Uhr eine vegetarische Gemüsesuppe anbieten. Unser Chefkoch ist Reiner Schnebel, den sicher viele beim Gemeindeausflug nach Ichenheim kennengelernt haben. Erwachsene zahlen 10€, Kinder 5€ und getreu unserem Motto global denken – lokal handeln, geht die eine Hälfte Ihres Geldes an das ‚Aktionsbündnis Gentechnikfreie Ortenau‘ und die andere Hälfte an den Marsch für das Recht auf Land, den Jansatyagraha in Indien. Am Nachmittag ab 17Uhr gibt es noch hier im Gemeindezentrum 2 Vorträge : zuerst über die Erd-Charta, eine globale Ethik-Charta zur nachhaltigen Entwicklung und danach wird Herr Bommert, Agrarwissenschaftler und Journalist noch das Thema Hunger in der globalisierten Welt vertiefen.
Dirk Schmid-Hornisch: Vielleicht könnten ja diese Aktionen motivieren, hier in der Gemeinde weitere Eine-Welt-Themen aufzugreifen. Noch ein Frage: hat der Marsch von Lahr hier nach Offenburg und dann weiter nach Strasbourg mit diesem Marsch in Indien zu tun ?
Stefan Walther: Ja, es ist ein Solidaritätsmarsch mit dem wir den Zusammenhang von lokaler, bäuerlicher Landwirtschaft und dem globalen Hunger hautnah erlebbar machen wollen. Alles findet am 1. Oktoberwochenende statt. Wir beginnen am Freitagabend, den 5.10. in der Luthergemeinde in Lahr mit einem Vortrag von Wolfgang Kessler über Nahrungsmittelspekulationen und multinationalen Konzerne und ihre Rolle für den weltweiten Hunger. Wolfgang Kessler wird einigen wahrscheinlich aus der Badischen Zeitung oder dem PublikForum bekannt sein. Wer möchte kann dort mit übernachten. Am Samstagmorgen werden wir in Lahr aufbrechen und einen ersten Halt in der Oberle-Mühle in Friesenheim machen. Dann geht es weiter zum Kuhlturbauernhof Eggs, einem der Binzburghöfe in Hofweier. Dort werden wir eine längere Mittagspause einlegen. Auch die Gambia-Hilfe aus Hofweier wird mit einem kleinen Stand präsent sein und die Situation in Gambia schildern können. Danach geht es hier ins Gemeindezentrum. Natürlich wird es Abendessen geben, aber auch eine interessante Einheit zur Gütekraft. Gütekraft ist vielleicht der treffendere Begriff als Gewaltfreiheit für Gandhis Wirken und Erfolg. Herr Martin Arnold, Pfarrer und Friedensforscher wird es vielleicht schaffen, uns unsere eigenen Gütekraft spüren zu lassen. Im Anschluss wird Herr Schaber, Vorsitzender des Bundes deutscher Milchbauern und selbst Milchbauer im Allgäu über die Situation der Milchbauern berichten.
Wer will, kann dann auch hier im Gemeindezentrum übernachten, oder uns am nächsten Morgen mit Kaffee und Frühstück versorgen. Um viertel nach neun wird Herr Schmid-Hornisch uns mit einem Reisesegen auf den Weg schicken. Wir holen dann eine Gruppe von Marschieren aus Strasbourg hier am Bahnhof ab und machen dann eine erste Erfrischungspause auf dem Demeter-Hof Witt in Weier. Am Kinzigdamm weiter wird die nächste Station der Grothhof in Willstätt sein. An der Kinzig weiter geht es nach Kehl zur Passerelle, auf der uns hoffentlich lautstark eine afrikanische Trommeltruppe erwarten wird. Die letzte Strecke durch Strasbourg führt dann zur Gandhi-Statue auf dem Place de l’Etoile.
Dirk Schmid-Hornisch: Das hört sich ja wirklich spannend an. Wer teilnehmen, mitlaufen oder etwas mithelfen möchte, kann sich ja bestimmt nach dem Gottesdienst und beim Gemeindekaffee nebenan noch an Dich wenden.
Liebe Gemeinde,
dank Stefan Walther haben wir wieder gesehen, wie eng unser alltägliches Leben verbunden ist mit dem der Menschen in den armen Ländern. Es kann und darf uns als Christinnen und Christen nicht egal sein, wie Gottes Kinder in Afrika, Indien oder Südamerika leben. Sie sind wie wir. Und der Prophet Jesaja hat uns darum ermutigt, den Hungrigen das Brot zu brechen und die Obdachlosen zu bewirten. So wie es auch Jesus getan hat. Was mich an den Worten Jesajas freut: Sie enthalten eine Verheißung. Gott verheißt denen, die sich für Gerechtigkeit und faire Lebenschancen für die Menschen auf unserer Welt einsetzen, dass das Gute zu ihnen zurückkommt. Mit poetischen Worten beschreibt er das so: Der Herr wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. … Und do sollst heißen: „Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen kann.“
Gott gebe, dass so von uns gesprochen wird. Amen.